ULTRAOCEANMAN TABARCA

Mein Schwumm von Tabarca nach Urbanova

 

Die Anreise nach Alicante gemeinsam mit meinem Vater – zugleich mein Coach - verlief erfreulich reibungslos. Das Wetter zeigte sich ebenfalls kooperativ: kein Wind, keine Kapriolen und strahlender Sonnenschein.

Die Tage vor dem Rennen verliefen ruhig, fast kontemplativ. Ein bisschen Sightseeing, ein wenig lockeres Schwimmen im Meer, gutes Essen und als Hauptmission am Freitag: Eine 1-kg-Packung Haferkekse vernichten. Parallel dazu wurde in regelmäßigen Abständen meine rechte Problemschulter mit muskellockernder Salbe bearbeitet. Ob es half oder einfach nur gut roch, sei dahingestellt.

 

Athletenmeeting im Museum

Am Freitag um 17 Uhr fand das Athletenmeeting statt, heuer im neu errichteten Ocean Race Museum. Eine kurze Führung durch die Ausstellung bot noch einen kleinen Moment der Ablenkung, bevor es in den gewohnten Ablauf ging: Registrierung, Startnummer abholen, Startgeschenk entgegennehmen. Das war dieses Mal ein nicht ganz so robuster Rucksack und ein T-Shirt, das eher durch Funktionalität als durch Style überzeugte.

Dann das erste Aufeinandertreffen mit meinem Kajakfahrer - ein junger, schlaksiger Typ namens Daniel, geschätzt Anfang zwanzig, vermutlich Student, definitiv nett. Gute Voraussetzungen für einen langen gemeinsamen Tag auf dem Wasser.

 

Beim Race Briefing gab es wenig Überraschendes:

Neopren war erlaubt, aber keine Pflicht – wer wollte, konnte ihn sogar unterwegs ausziehen und dem Kajaker überreichen.

Der Ablauf: Fähre zur Insel, Massenstart vom Strand, jeder findet seinen Kajaker (theoretisch), dann gemeinsames 21km-Schwimmen. Der Kajaker übernimmt Verpflegung, Navigation und trägt einen GPS-Sender.

Alles easy, bis auf einen kleinen aber feinen Punkt: Sollte meinem Kajakfahrer etwas passieren – Kentern, Hitzekollaps oder Ohnmacht – wäre ich verantwortlich, per Funkgerät Hilfe zu holen. Ja, genau: Ich, schwimmend und funktechnisch unausgebildet. Was kann da schon schiefgehen?

Abendessen mit Geschenk

Nach dem Briefing gingen wir ins Restaurant, das glücklicherweise nur ein paar Gehminuten entfernt von unserer Unterkunft lag. Viele der anderen Athleten zogen es vor, direkt schlafen zu gehen oder noch letzte Vorbereitungen zu treffen. So blieb unsere Runde überschaubar.

 

Das Essen war, sagen wir, funktional. Die Pizza war okay, die Pasta immerhin al dente. Keine kulinarischen Höhepunkte aber für den nötigen Kohlenhydratschub vor dem Rennen gerade ausreichend.

Dafür punktete der Abend gesellschaftlich: Ich saß neben Jeroen van der Hoff, einem Schweizer Schwimmer mit niederländischen Wurzeln. Wir waren beide des Englischen müde und switchten ins Deutsche. Ein angenehmes, offenes Gespräch, das schließlich in einer kleinen Überraschung endete: Zum Dessert schenkte mir Jeroen kurzerhand seinen Startplatz für den 14-Kilometer-Backwaterman in Niederösterreich Ende Juni. Er hatte sich versehentlich am gleichen Wochenende für einen anderen Wettkampf in Italien angemeldet und ich war der glückliche Profiteur.

Manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Tisch sitzen.

 

Packen, Mischen, Schlafen

Gegen 21 Uhr kehrten wir zurück ins Appartement. Jetzt begann die eigentliche Vorbereitung: Schwimmsachen packen, Boje checken, Verpflegung mischen.

Bei Letzterem vertraute ich auf Bewährtes, denselben Mix, den ich schon bei den 42 Kilometern in Schweden verwendet hatte: Powerade, ordentlich Maltodextrinpulver und eine Messerspitze Salz – für die Elektrolyte, nicht für den Geschmack. Der Plan: Alle 45 Minuten einen halben Liter dieses blauen Wundermittels trinken. Um mir das Mischen von acht Einzelflaschen zu ersparen, rührte ich das Ganze direkt in einem 5-Liter-Kanister an.

 

Kurz vor Mitternacht fiel ich schließlich ins Bett – erschöpft, aber mit dem beruhigenden Gefühl, dass alles vorbereitet war. Der Wecker war gnadenlos auf 5:00 Uhr gestellt. Schlaf? Der Nervosität wegen ein frommer Wunsch.

 

Samstag, 31. Mai – Renntag

Tagwache um 5:00 Uhr.

Frühstück: Müsli und ja, tatsächlich die letzten Haferkekse. Dann machten mein Vater und ich uns auf den Weg zum Hafen, von dem um 6:30 Uhr das Boot Richtung Tabarca ablegen sollte.

Der Treffpunkt war kurios gelegen, direkt gegenüber einer Diskothek, aus der noch wummernde Bässe in die Morgendämmerung drangen. Während drinnen die Nacht durchgefeiert wurde, standen draußen 29 Schwimmer aus 24 Nationen nervös vor der Fähre, bereit für den Start. Zwei Welten, ein Hafen!

 

Um kurz vor halb sieben wurden wir, Schwimmer und Kajaker, einzeln aufgerufen, um an Bord zu gehen. Auch mein Vater durfte mit. Die Fähre setzte sich in Bewegung, begleitet von einem kitschig schönen Sonnenaufgang und einer ordentlichen Portion Adrenalin.

An Bord besprach ich mit Daniel nochmals die Route, den Verpflegungsplan und befestigte die vom Veranstalter zur Verfügung gestellte Startnummer samt Österreich-Flagge an seiner Schwimmweste. 

Kurz vor 8 Uhr erreichten wir die Insel – offiziell die kleinste bewohnte Insel Spaniens. Viel Zeit blieb nicht: Kajaks schleppen, letzte Toilettenstopps, Neopren zurechtrücken. Dann ging alles ganz schnell.

 

Rein ins große Blau – Start 

Um 8:22 Uhr erfolgte der Start vom Strand aus. Ich hatte mit Daniel vereinbart, dass nicht ich ihn, sondern er mich im Wasser finden würde. Ich würde mich stattdessen voll auf mein Rennen konzentrieren. Ich reihte mich an vierter Position ein, fand schnell meinen Rhythmus und bald auch Daniel an meiner Seite.

Die Strecke führte zunächst um die Insel, dann hinaus aufs offene Meer in Richtung Festland. Das Wasser war ruhig, die Sonne freundlich, die erste Verpflegungspause verlief reibungslos. Alles lief wie am Schnürchen. Bis der erste Schockmoment kam!

 

Ich blickte rüber, Daniel trieb neben seinem Kajak. Mein Hirn schaltete auf Alarm. Funkgerät? Notruf? Ich schwamm zu ihm, doch er winkte sofort ab: Alles gut! Nur eine Klo- und Abkühlungspause.

Diese “Pausen“ folgten dann in regelmäßigen Abständen. Wobei ich bis heute verwundert bin, wie er es jedes Mal wieder ohne Hilfe zurück ins Kajak schaffte.

 

Einsames Schwimmen - Querung

Ab diesem Moment war ich allein unterwegs. Vor mir nur das Führungsteam (außer Reichweite), hinter mir: nichts. Kein Schwimmer in Sicht. Nur Daniel und ich, Zug um Zug, Pause um Pause.

Nach etwa 14 Kilometern verabschiedete sich meine Uhr. Akku leer. Geschwindigkeit und Distanz? Unbekannt. Aber irgendwie war das auch befreiend. Keine Zahlen, keine Zeiten, kein Druck. Nur ich und das Meer.

 

Die Küste war inzwischen erreicht, wir bewegten uns parallel zum Strand. Die Wellen wurden höher, an die 1 Meter. Viele Schwimmer gingen nun näher ans Ufer. Wir entschieden uns für das Gegenteil: draußen bleiben und erst kurz vor dem Ziel direkt zum Strand schwimmen.

Die Taktik erwies sich als klug: Die Wellen hoben und senkten mich zwar weiterhin, doch sie störten meinen Rhythmus kaum. Im Gegenteil, manchmal fühlte es sich fast wie kontrolliertes Wellenreiten an.

Letzte Züge - Ankommen

Die letzten Kilometer vergingen fast meditativ. Kein mentales oder körperliches Tief. Nur Schwimmen. Als das Ziel in Sicht kam, entdeckte ich einen Schwimmer etwa 200 Meter vor mir. Aber aufholen? Unrealistisch. Also nahm ich das Finish locker, bis auf die letzten Meter, da überkam mich doch noch ein Anflug von Showlust: ein paar schöne Schmetterlingszüge für die Zuschauer mussten sein.

 

Im Ziel wartete mein Vater zusammen mit der Finishermedaille und einem eiskalten Bier. Was will man mehr?

Fazit: Alles richtig gemacht. Fast!

Mit meiner Zeit von 5 Stunden 22 Minuten auf die 21 Kilometer war ich mehr als zufrieden – deutlich unter den geplanten 6 Stunden. Mit dem 6. Platz dagegen nicht ganz. Zehn Minuten fehlten auf Platz 2. Vielleicht hätte ein besserer Überblick unterwegs geholfen. Vielleicht auch nicht. Aber diese Gedanken verwarf ich schnell.

Ich wollte nur noch: eine Dusche, Essen – und lange, lange schlafen.

 

Danksagung

Danke sagen möchte ich an dieser Stelle meinem Kajaker Daniel. Falls du das hier liest: Danke für die ruhige Navigation, die Verlässlichkeit und die gute Harmonie da draußen auf dem Wasser.  Merci Jeroen für den Startplatz!

Ein besonderer Dank geht auch an meinen Vater für die Versorgung an Land, das frühe Aufstehen und die mentale Stütze, die in so einem Rennen oft mehr zählt als jedes Gel.

Ein großes Dankeschön natürlich auch an meine Familie und alle, die mich in der Vorbereitung unterstützt, motiviert oder einfach an mich geglaubt haben. Ohne euch wär’s nur halb so rund gelaufen.

 


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